Internationale Einsätze auf dem Bodensee – Digitalfunk BOS als gemeinsames Funknetz

| Feuerwehren

Für Einsätze auf und am Bodensee wird nach erfolgreichem Abschluss eines Projek-tes der „Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee“ nun der deut-sche Digitalfunk BOS von allen BOS-Einheiten, auch aus Österreich und der Schweiz erfolgreich genutzt. Der Schutz und die schnelle Gefahrenabwehr wurden damit nach-haltig optimiert.

Der Bodensee ist der drittgrößte See Europas und national ein Gewässer Erster Ordnung. Er liegt geografisch im äußersten Süden Deutschlands in der klimatisch guten Lage des Alpenvorlandes. Mit der Insel Reichenau und den Ufergebieten ist die Region eine bekannte und wichtige Adresse für die Lieferung von frischem Obst und Gemüse. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Naturschutzgebiete am Ufersaum. Der Bodensee ist auch ein beliebtes Ausflugs- und Urlaubsziel und für Wassersportler sehr attraktiv. Insbesondere im Sommer wird der See von Schwimmern, Surfern, Ruderern und Freizeit-Kapitänen mit Segel- und Motorbooten genutzt. Außerdem sind verschiedene Schiffe der „weißen Flotte“ im Fähr-, Linien- und Ausflugsverkehr sowie rund 150 Berufsfischer auf dem See unterwegs. Insgesamt sind auf dem Bodensee rund 62.000 Wasserfahrzeuge zugelassen, davon rund 40.000 mit Verbrennungsmotor. Weil insbesondere der Rhein durch seinen Zufluss große Mengen naturbelassenes Schmelz- und Regenwasser in den See bringt, ist er auch ein wichtiger Trinkwasserlieferant für rund 4 Millionen Menschen in Baden-Württemberg.

Die Uferlinie des Bodensees beträgt ca. 273 Kilometer. Davon sind 173 Kilometer deutsch (155 Kilometer Baden-Württemberg, 18 Kilometer Bayern), 28 Kilometer der Uferlinie verlaufen in Österreich und 72 Kilometer in der Schweiz.

Um das wertvolle Ökosystem des Bodensees zu schützen wurde bereits 1959 die „Internationale Gewässerschutzkommission für den Bodensee“ (igkb) durch die Anrainerstaaten und das Fürstentum Liechtenstein gegründet. Im „Fachbereich Schadensabwehr“ der igkb werden unter anderem gemeinsame Alarm- und Einsatzpläne für die Verhinderung von Schäden bzw. deren Begrenzung und Beseitigung durch die Einheiten der Öl- und Schadenswehr abgestimmt. Um eine übergeordnete Kommunikation der verschiedenen Einsatzkräfte aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bei internationalen Einsätzen zu ermöglichen, wurde im Jahr 2015 durch die Koordinierende Stelle Digitalfunk Baden-Württemberg (KSDBW) eine „Cross-Boarder-Communication-Anlage“ (CBC) im Gebäude der Wasserschutzpolizeidirektion Friedrichshafen installiert, die verschiedene analoge und digitale Funksysteme zusammenbringt und überleitet.

Da die Ressourcen dieses komplexen Systems begrenzt sind, wurde im Jahr 2019 durch den Fachbereich Schadenabwehr“ der igkb der Startschuss für ein Projekt mit dem Ziel derAusstattung aller auf und um den Bodensee eingesetzten Feuerwehren und Organisationen der Öl- und Schadenswehr mit Funkgeräten des deutschen Digitalfunks der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (Digitalfunk BOS) gegeben. Grundlage hierfür war die Erkenntnis - unter anderem aus Messdaten der Autorisierten Stelle Digitalfunk BOS Baden-Württemberg (ASDBW) - dass das deutsche Digitalfunknetz BOS als einziges BOS-Funksystem die gesamte Wasserfläche des Bodensees und die Uferbereiche, auch in Österreich und der Schweiz, in der notwendigen Qualität ausleuchtet, sodass eine Kommunikation aller Einsatzkräfte vom Liegeplatz bis zu einer Einsatzstelle auf dem See gewährleistet werden kann.

Da Baden-Württemberg die längste Uferlinie am Bodensee hat, übernahm das Sachgebiet Brand- und Bevölkerungsschutz des Landratsamtes Bodenseekreis in enger Zusammenarbeit mit dem Referat Feuerwehr und Brandschutz im Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg die Federführung für Planung und Umsetzung des Projektes. Zunächst musste über die KSDBW geklärt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ausstattung von Einsatzmitteln aus Österreich und der Schweiz mit deutschen Digitalfunkgeräten und Sicherheitskarten ermöglicht werden kann. Glücklicherweise erwies sich dies als lediglich geringe, formale Herausforderung.

In den Zeitraum von Sommer 2020 bis zur internationalen Implementierung des Funkkonzeptes am 01. Juli 2022 fielen danach unzählige Besprechungen und Sitzungen mit Ministerium, Vertretern der Anrainerstaaten, anderen Hilfsorganisationen, Leitstellen aber auch mit der Wasserschutzpolizei und der Bundesbehörde Zoll, die bereits länger Erfahrung mit der Nutzung des Digitalfunks auf dem Bodensee hatten.

Die Einsatzstatistik der letzten Jahre weist allein für den Zuständigkeitsbereich der Öl- und Schadenwehr des Landkreises Bodenseekreis mit seinen Stützpunkten in Friedrichshafen und Überlingen durchschnittlich rund 40 Einsätze auf dem Bodensee aus. Dabei sind Brände nur mit einer geringen Zahl an Einsätzen registriert; auch die klassische „Ölwehr“ bleibt bei der Zahl der Einsätze letztlich hinter den „sonstigen Hilfeleistungen“ auf dem Wasser zurück. Diese Hilfeleistungen reichen von der Hilfe bei Pannen und Defekten bis zur Personensuche mit mehrreihigen Suchketten, die abhängig vom Suchgebiet ereignisbezogen aus Wasserfahrzeugen verschiedener Organisationen – und oft auch Nationen – zusammengesetzt werden. Eine besondere Herausforderung ist dabei oftmals auch das Wetter. Unwetter oder Starkwinde können sehr spontan auftreten. Windgeschwindigkeiten von über 100km/h sind keine Seltenheit und bringen Wassersportler immer wieder in Bedrängnis. Insbesondere bei länger andauernden West-Stürmen oder aber auch typischen Föhnwindlagen aus südlicher Richtung am Alpenvorraum können zu aufwachsenden Wellenbildungen im Bereich des Obersees (Friedrichshafen bis Bregenz) von bis zu 3 Meter führen. In diesen Situationen ist eine gute Kommunikation und Koordination der Einsatzkräfte von entscheidender Bedeutung.

Daher wurde im Laufe des Projektes immer deutlicher, dass es nicht nur ein Wunsch aller beteiligten Organisationen der nichtpolizeilichen aber auch polizeilichen Gefahrenabwehr auf internationaler Ebene, sondern eine zwingende Notwendigkeit wurde, die Möglichkeiten des Digitalfunks BOS nicht nur auf die im Projekt ursprünglich vorgesehenen Beteiligten Stützpunkte der Öl- und Schadensabwehr zu begrenzen, sondern das Konzept für das internationale Gewässer auf alle Organisationen wie Wasserrettung, Feuerwehr, Rettungsdienst, Polizei und Zoll auszuweiten. Da die im Grenzgebiet stationierten Rettungshubschrauber bereits für ihre originären Tätigkeiten mit deutschen Digitalfunkgeräten ausgestattet sind, konnte auch die Luftrettung problemlos in das Konzept integriert werden.

Aufgrund der vorhandenen einsatztaktischen Planungen für die Schadenabwehr auf dem Bodensee wurden sechs TMO-Rufgruppen (TMO-Trunked Mode – Netzbetrieb) „Fw-Ölwehr“ für die originären Aufgaben der Öl- und Schadenwehr Bodensee und sechs weitere TMO-Rufgruppen „BOS-Bodsee“ für die BOS-übergreifende Zusammenarbeit bei allgemeinen und internationalen Einsätzen bei der KSDBW beantragt, von dieser bereitgestellt und in der Digitalfunk-Netzinfrastruktur mit einem Rufgruppenwirkbereich über Baden-Württemberg und die angrenzenden Bereiche aufgenommen. Diese Rufgruppen wurden national mit der Digitalfunkorganisation im Freistaat Bayern ausgetauscht, die entsprechenden Eintrittsrechte gewährt und damit die Rufgruppen in die jeweiligen Rufgruppenkonzepte aufgenommen.

Neben diesen organisatorisch-technischen Maßnahmen in der Digitalfunk-Infrastruktur musste die Beschaffung der erforderlichen rund 30 Digitalfunkgeräte für die Einheiten der Öl- und Schadenwehr aus Österreich und der Schweiz veranlasst werden. Die Mittel hierfür wurden durch das Land Baden-Württemberg bereitgestellt. Weitere sieben Digitalfunkgeräte für die Seenotrettungseinheiten aus Österreich und der Schweiz wurden von Bayern übergeben.

Das Fernmelde- und Schulungskonzept für alle Einsatzkräfte, einschließlich der internationalen Einheiten, wurde federführen durch die Digitalfunk-Arbeitsgruppen des Landkreises Bodenseekreis, die sich aus sehr engagierten ehrenamtlichen Einsatzkräften zusammensetzt, ausgearbeitet. Dieses neue „Fernmeldekonzept Digitalfunk“, das sowohl für die internationale Öl- und Schadenswehr aber auch erstmals für internationale Wasser- und Seenoteinsätze, Schiffsbrandbekämpfung und andere Hilfeleistungen in enger Abstimmung mit allen Beteiligten erstellt wurde, war letztlich der wesentliche Schlüssel zum Erfolg des Projektes.

Um den geplanten Startzeitpunkt 01. Juli 2022 fristgerecht umsetzen zu können war die Durchführung entsprechender Nutzerschulungen erforderlich. Im Zeitraum vom 06. - bis 07. Mai 2022 konnte ein abgestuftes Ausbildungskonzept unter Beteiligung der Multiplikatoren aller Feuerwehren der Landkreise Bodenseekreis, Konstanz, des Freistaates Bayern, Vorarlberg, St. Gallen und Thurgau sowie dem in Bayern eingebundenen THW in der Feuerwache Friedrichshafen realisiert werden.

Nach Durchführung der beiden Schulungstage wurden die von Baden-Württemberg beschafften Funkgeräte an die Ölwehreinheiten in Vorarlberg (Österreich), St. Gallen und Thurgau (Schweiz) ausgegeben. Zum Abschluss fand am 07. Mai 2022 eine groß angelegte Funkübung, an der mehr als 30 boden- und wassergebundene Fahrzeuge aller Einheiten rund um den Bodensee teilgenommen haben, statt. Dabei wurden die neuen Kommunikationsmöglichkeiten erfolgreich einem Stresstest unterzogen.

Die Umsetzung des Projektes stellt einen „Meilenstein“ in der Kommunikation aller Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben rund um den Bodensee dar und optimiert die Koordination der verschiedenen beteiligten Einheiten bei Einsätzen auf und am Bodensee. Das zum 01. Juli 2022 eingeführte Fernmeldekonzept wurde bereits mehrfach bei internationalen, aber auch nationalen Einsätzen umgesetzt und erlaubt nun ein organisationsübergreifendes standardisiertes Vorgehen welches sich bewährt hat. Im Rahmen regelmäßiger Übungen und im internationalen Austausch wird das Konzept evaluiert und erforderlichenfalls fortgeschrieben.

 

Autoren:
Peter Schörkhuber
Landratsamt Bodenseekreis                         
1.Stv. Kreisbrandmeister
Mitglied igkb Fb Schadenabwehr

Andreas Schmidt
Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen Baden-Württemberg
Referat Feuerwehr und Brandschutz
Referent Funk- und Fernmeldewesen

Bericht: IM BW, Referat 62

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Bildquelle: IM BW